Spuren im Sand - Über das Verschwinden und Bleiben von Plastik

Ich gehe den Strand entlang, der nasse Sand sinkt ein unter jedem meiner Tritte. Bis die nächste Welle meine Fußabdrücke wegspült und die Spur meines Weges hinter mir verschwindet. So als wäre ich nie da gewesen. So als wäre ich hier nie entlang gegangen. Doch nur weil die Abdrücke nicht mehr sichtbar sind, bedeutet das nicht, dass nichts von uns bleibt. Wir Menschen sind längst verwoben mit der Natur und mit der von uns geschaffenen Künstlichkeit.

Im seichten Wasser glitzert etwas. Es könnte eine Muschel sein, ein Stein oder ein Metall. Die Kanten sind bereits abgerundet, vom Wasser und der Zeit. Ich hebe es auf. Drehe und wende es in meiner Hand, halte es gegen das Licht: es ist eine funkelnde Perle aus Kunststoff.

Weltweit werden Millionen unterschiedliche Kunststoffarten produziert. Zu den verbreitetsten auf Erdöl basierenden zählen: Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyvinylchlorid (PVC), Polystyrol (PS), Polyamid (PA), Polyester (PES), Polyurethan (PUR, PU), Melamin-Formaldehyd-Harz (MF), Polyesterharz (UP), Elastan (PUE).

Plastik ist überall. In unserer Kleidung, in unseren Trinkflaschen, in unseren Duschgels.

Und es ist im Wasser.

„Es ist ein Sediment“, sagt Stefan Stadler. Für Greenpeace Österreich haben Stadler und sein Team österreichische Seen auf die Belastung von Mikroplastik untersucht. Die Mikroplastik-Teilchen sind nicht größer als 5 Nanometer, also bloß unter dem Mikroskop sichtbar. Das ist so winzig klein, dass ich es mir kaum vorstellen kann. In allen untersuchten österreichischen Bade- und Gletscherseen sind Kunststoffpartikel nachweisbar.  „Die Kunststoffteile werden immer kleiner, über das Wasser gelangen sie in den Kreislauf“, so Stadler. In die Mägen der Tiere, in unsere Nahrung, in den Regen und die Luft die wir atmen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand mit Bakelit der erste Kunststoff. Die Massenproduktion von Kunststoffprodukten begann in den 1950er-Jahren. In mehr oder weniger 100 Jahren ist es uns gelungen, Plastik buchstäblich mit unserer DNA zu verweben. Mikroplastik-Partikel können die Blut-Hirn-Schranke überwinden und gelangen so in unser Gehirngewebe. Ich weiß nicht, was das bedeutet, was das bedeuten kann. Doch es beunruhigt mich. Das Wissen, dass wir Menschen diesen Planeten unwiderruflich verändert haben, dass die Auswirkungen unseren Tuns sich auf unsere Körper und alle Organismen erstreckt.

Ich stecke die Perle in meine Hosentasche, forme mit meiner Hand eine kleine Schüssel und greife in den nassen Sand. Er rieselt durch meine Finger, glitzert im Sonnenlicht. Eine Mischung aus Quarz, Ziegel, Reifenabrieb und Einwegplastik. Es gibt manche Bakterien oder Pilze die Plastik zersetzen, doch angesichts der vielen unterschiedlichen Kunststoffarten und der Menge an Plastikmüll ist noch nicht absehbar, welche Erfolge die Forschung in Hinblick darauf erzielen kann. Ich setze meinen Weg fort, den Strand entlang, hinterlasse meine Spuren im Sand – und wünsche mir, dass nichts von mir bleibt.

ist Texterin und Autorin. In ihrem aktuellen Romanprojekt beschäftigt sie sich unter anderem mit den Folgen von der Verschmutzung durch Mikroplastik. Im Zuge ihrer Recherchen zum Thema führte sie ein Interview mit Stefan Stadler von Greenpeace Österreich.

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