Manchmal habe ich Angst - und dann bin ich trotzdem zuversichtlich

Als ich klein war, gab es im Winter Schnee im Linzer Zentralraum und es gab noch richtige klimatische Jahreszeiten in Mitteleuropa. Da war die Frontscheibe des Autos meiner Eltern noch voller Insekten, weil es noch so viele gegeben hat, Jahrhunderthochwasser traten nur einmal alle hundert Jahre auf, nicht jährlich mit neuen „Rekorden“. Hagelkörner waren noch nicht so groß wie Golfbälle, die ganze Ernten, Autos und Häuser kaputt gemacht haben. Da wusste ich noch nicht, dass auch in Europa etwa 300 Tornados auftraten – Tendenz steigend in Zahl und Intensität. Früher fiel mir gar nicht auf, dass so viele Autos so viel Schmutz verursachten – den, den man sieht und den, den man mit bloßem Auge nicht sieht. Früher habe ich nicht gewusst, dass es für den menschlichen Körper lebensgefährlich ist, wenn es knapp 31 Grad Celsius und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit hat – bei steigender Temperatur reicht dann schon weniger Luftfeuchtigkeit, damit unsere fragilen Körper schlapp machen.

Lang schon fokussiere ich mich beruflich wie ehrenamtlich auf Klima- und Umweltengagement. Ich habe „There is no Planet B“ auf Schilder gemalt und aufs Sterben der Ökosysteme durch die anthroprogene Klimakrise aufmerksam gemacht. Mit meinem Tun habe ich mich selbst ein Stück weit beruhigt, mich damit versichert, dass ich nicht hilflos bin, dass ich das für mich aber auch für andere tue. Dabei stelle ich mir die Frage: Wenn ich Angst habe, wie muss es den Menschen gehen die weit nicht so privilegiert sind wie ich? Ganze Inseln versinken in den Ozeanen, Großteile ganzer Kontinente werden nach und nach unbewohnbar. Wer baut dann unseren Kaffee an oder näht unsere Fast Fashion zusammen?

Schon lange gibt es Krieg um Ressourcen, Milliarden Menschen sind auf der Flucht und ich schaue zu wie Mauern gebaut werden, damit „die anderen“ draußen bleiben. Nur: Wohin sollen die knapp 80 Prozent Menschen gehen, die bisher vom Süden in den Süden geflohen sind, wenn es dort wirklich gar nichts mehr gibt? Auch wenn ich nicht so aussehe, und auch mein Name das nicht verrät, so floh auch meine Familie in den Weltkriegen „illegal“ über Staatsgrenzen. Dass ich jetzt bin, wo ich bin, das ist, weil ich Glück in der Lebenslotterie hatte. Noch besser wäre natürlich, ich wäre ein weißer, hetero cis-Mann, dann hätte ich auch bezüglich der Klimakrise bessere (Über-)Lebenschancen – etwa 17 Mal so hoch wie jetzt.

Wir sagen die „Umwelt“ – als wären wir nicht Teil davon. Der Planet wird nach uns weiter existieren, nur wir Menschen eventuell nicht mehr. Und auch all die anderen Existenzen, die wir mitgenommen haben in die Extinktion.

Ich kann nicht übersehen, wie alles zusammenhängt und nur gemeinsam gelöst werden kann. Dass Klima, Ökologie, Gesundheit, Bildung, Care, Feminismus, Demokratie untrennbar miteinander verbunden sind. Das alles wirkt nicht nur so, es ist so groß und viel auf einmal. An Tagen, an denen meine Angst besonders groß ist, glaube ich manchmal wirklich, dass es keinen Sinn hat, etwas zu tun. Zum Glück habe ich aber die Sturheit meiner Mutter geerbt. Denn aufgegeben wird nur ein Brief. Denn wenn ich aufgebe, an eine bessere Welt für alle zu glauben, dann geben auch andere auf. Ja, systemische Probleme brauchen systemische Lösungen, aber ich bin auch ein Teil der Gesellschaft, genauso wie alle anderen auch. Ich weiß ich kann und muss nicht das Elend der Welt auf meinen Schultern tragen. Und gleichzeitig weiß ich, dass das alles von uns so gemacht wurde. Darum glaub ich, dass wir es jetzt anders machen können.

Stell dir vor es ist Krieg, aber es geht niemand hin. Stell dir vor es ist 2040 und es gibt keine Autos in der Innenstadt. Und stell dir vor wir führten Milliardär*innensteuern ein – damit könnten wir wirklich die ökosoziale Transformation bezahlen und niemand müsste mehr hungern. Wir können und Hoffnung uns Mut und Zuversicht nicht unendlich aus uns selbst schöpfen, aber wir können sie uns gegenseitig geben. Es gibt sie, die positiven Beispiele. Das Ozonloch schließt sich schneller als gedacht. Der Ausbau von Erneuerbaren Energien wirkt sich stabilisierend auf Demokratien aus, weil dieser Monopole aufbricht. Staaten bekennen sich zu Regulierungen und schließen diese auch auf internationaler Ebene ab. Sind die mutig genug? Ich finde noch nicht, aber wenn ich mutig bin, dann weiß ich, dass es andere auch sind – schon rein statistisch. Also habe ich Zuversicht und ich schenk sie gerne weiter. Denn wenn ich mal meine ein Stück weit verliere, freu ich mich auch über dieses Geschenk und auch meine Zuversicht wächst dadurch, dass ich sie teile.

Katharina C. Gruber

ist Soziologin mit den Schwerpunkten globale Ungleichheit, Hegemonietheorien und feministische Kapitalismuskritik. Sie freut sich über Zuversichts-Geschenke und authentische Begegnungen.

Bildquellen: Sujets: pexels markusspiske & enginakyurt , Portrait: Zeljana Bogic

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2040 - Rückblick ins Kuriositätenkabinett der Klimapolitik

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Mi stört de Hitz jo goa ned!